Du leuchtest...

Du leuchtest
in meiner Seele wie die Sonnen
auf dem Golde.

Der Fisch kann im Wasser nicht ertrinken,
der Vogel in den Lüften nicht versinken
das Gold ist im Feuer nicht vergangen,
denn es wird dort Klarheit
auf leuchtendem Glanz empfangen.
Gott hat allen Kreaturen das aufgegeben,
dass sie ihrer Natur gemäß leben.
Wie könnte ich deiner Natur widerstehen?
Ich muss von allen Dingen hinweg zu Gott
gehen,
denn mein Vater ist von Natur, mein Bruder
nach seiner Menschheit,
mein Bräutigam von Minnen und ich seine ohne
Beginnen.
Wähnt ihr nicht, ich würde diese Natur nicht
fühlen?
Gott kann beides: kräftig brennen und
zärtlich kühlen.

Da sprach sie: „Ich tanze Herr, wenn du mich
führest.
Soll ich sehr springen, musst du anfangen zu
singen.
Dann spring ich in die Minne,
von der Minne in die Erkenntnis,
von der Erkenntnis in den Genuss,
vom Genuss über alle menschliche Sinne.
Dort will ich verharren und doch höher
kreisen.“
Darauf spricht die Seele zu den Sinnen,
die ihre Kämmerer sind:
„Nun bin ich einen Weile des Tanzens müde.
Verlasst mich, ich muss mich zurückziehen,
wo ich mich einkühlen kann.
*
(Mechthild v. Magdeburg „Das fließende Licht
der Gottheit“ 1995)